Auf dem Medienplatz Bern muss etwas Neues wachsen

Seit Tamedia angekündigt hat, bei «Berner Zeitung» und «Bund» auch noch die Lokalredaktionen zu fusionieren, gärt es auf dem Medienplatz Bern. Die Bewegung Courage Civil, die sich während des Kampfs gegen die No-Billag-Initiative formiert hatte, befürchtet einen Einheitsbrei. Jetzt lotet sie das Bedürfnis nach einem neuen Online-Magazin aus. Einen Zusammenhang mit dem Projekt «Neue Berner Zeitung» des Kleinverlegers Norbert Bernhard gibt es nicht.

Seit rund drei Jahren verbreiten «Berner Zeitung» und «Bund» weitgehend identische Inhalte. Beide Tageszeitungen beziehen ihre Artikel aus demselben Pool, einzig in der lokalen und regionalen Berichterstattung liefern sie sich einen publizistischen Wettbewerb. Doch damit ist bald Schluss: Tamedia hat entschieden, eine Einheitsredaktion zu installieren. Damit ist das «Berner Modell», das der legendäre Verleger Charles von Graffenried 2003 lanciert hatte, tot. Es entsteht ein Monopol und der Medienkonzern kann in Bern nochmals Stellen abbauen. (Die «Medienwoche» fasst hier präzis zusammen, was Sache ist.)

Die Bewegung Courage Civil will keinen publizistischen Einheitsbrei im Grossraum Bern. Seit November letzten Jahres sondiert sie, welche Alternativen es gibt. Aus ihrer Sicht ist die Zeit reif, dass auf dem Medienplatz Bern etwas Neues wächst. Deshalb lanciert sie jetzt eine Umfrage, um das Bedürfnis der Bernerinnen und Berner nach einem neuen Online-Magazin zu eruieren.

Bei den Medienkonzernen lautet die grosse Frage seit Jahren: «Wie bringen wir die Leute möglichst lange auf unsere Online-Portale und dort zum Bezahlen?» Courage Civil hat gemäss Geschäftsführer Mark Balsiger einen anderen Ansatz: «Im Zentrum stehen nicht Klicks und hohe Renditen, sondern Journalismus. Wir fragen, was ein Online-Magazin bieten muss, damit die Menschen es wertschätzen und Member werden.»

Courage Civil, 2018 aus der Abstimmungs-Allianz gegen die No-Billag-Initiative herausgewachsen, geht laut Vorstandsmitglied Anaël Jambers pragmatisch vor. Wenn die Umfrage eindeutige Resultate liefere und parallel dazu die Interessen gebündelt werden, sollen weitere Schritte folgen. Unabhängiger Journalismus auf lokaler Ebene sei für das politische, gesellschaftliche und kulturelle Leben sehr wichtig, betont Jambers: «Lokale Medien schaffen Identität.» Sie verweist auf neue Online-Medien, die in anderen Ballungsräumen entstanden sind: «bajour» (Basel), «tsüri» (Zürich), «Kolt» (Olten), «Zentralplus» (Zentralschweiz) und «heidi.news» (Romandie). Ohne geografische Einschränkungen kämen die «Republik» und das Wissenschaftsmagazin «Higgs» hinzu.

«Das Bedürfnis nach unabhängigem Journalismus wächst auch im Lokalen», ist Balsiger überzeugt. Daran knüpfe man an, bleibe aber realistisch. Als gesichert gilt, dass es im Grossraum Bern Platz für nur ein neues Medienprojekt hat, sonst bleibt der Platzhirsch, also Tamedia, alleine. Die Bewegung Courage Civil versteht ihr Engagement nicht als Kritik an den Angestellten beider Zeitungen, die vor einer ungewissen Zukunft stehen.

Ende Januar kündigte der Schaffhauser Verleger und Heimweh-Berner Norbert Bernhard in der «Handelszeitung» an, an einem Projekt namens «Neue Berner Zeitung» zu arbeiten. Er will täglich eine Gratiszeitung mit der Auflage von 70’000 Exemplaren produzieren, wie er im «Klein Report» ausführte. Die Bewegung Courage Civil hält fest, dass es zwischen ihrer Umfrage und Bernhards Projekt keinen Zusammenhang gibt.

Die Umfrage für das neue Online-Magazin im Grossraum Bern ist hier verlinkt.

Auf dem Medienplatz Bern entsteht Einheitsbrei

In praktisch allen Ballungsräumen der Schweiz sind seit den Achtziger- bzw. Neunzigerjahren Pressemonopole entstanden. Das hat mit den Umwälzungen in der Medienbranche zu tun: Ein paar wenige Konzerne haben die kleinräumige Struktur der Verlagshäuser abgelöst. Jetzt trifft diese Konzentration auch die Bundesstadt. Die Medienmanager von Tamedia, dem Zürcher Konzern, der u.a. «Bund» und «Berner Zeitung» herausgibt, haben angekündigt, dass diese beiden Titel nun auch im Lokalen und Regionalen eine Einheitsredaktion erhalten werden. Damit ist das «Berner Modell» und der publizistische Wettbewerb im Grossraum Bern bald einmal Geschichte. Für die Bewegung Courage Civil, die sich für Medienvielfalt und unabhängige Medien stark macht, ist das eine traurige Botschaft. Kenntnisreich und sehr solid ist die Einschätzung der «Medienwoche» zu diesem Thema.