Es geht auch um Kultur, Kitas und Kurzarbeit

Schon seit Monaten macht eine kleine Minderheit viel Lärm. «Liberté, Libverté!» schallt es uns entgegen. Das Covid-Zertifikat sei «Scheisse», ja des Teufels. Anstatt sich weiter an diesem Punkt festzubeissen, sollten wir unseren Blick auf das «Big Picture» richten. Die Abstimmungsempfehlung seitens des Vorstands der Bewegung Courage Civil. 

Grundrechte sind eine grosse Errungenschaft. Frühere Generationen mussten sie sich hart erkämpfen, vorab Mitte des 19. Jahrhunderts, längst sind sie in der Bundesverfassung verankert. Das Covid-19-Gesetz, über das wir am 28. November abstimmen, tangiert, ja verletzt die Grundrechte.

Tatsache ist aber, dass die Gegner des Covid-Gesetzes immer wieder die Möglichkeit hatten, für ihre Überzeugungen auf die Strasse zu gehen. Viele Demonstrationen wurden bewilligt, etwa in Liestal, Bern, Baden und Rapperswil. Sie durften sagen oder schreien, was sie wollten. Die Meinungsäusserungsfreiheit und das Demonstrationsrecht waren also gewährleistet.

Tatsache ist, dass es allen Schweizerinnen und Schweizern frei steht, am 28. November Nein zu stimmen. So viel zum Thema «Diktatur».

Der Diskurs wird von einzelnen Leuten und Gruppierungen aus beiden Lagern fanatisch geführt, zuweilen ist er sogar hysterisch.

Tatsache ist, dass die Impfung eine deutliche Entspannung der Lage gebracht hat.

Tatsache ist, dass dank Impfungen andere Infektionskrankheiten wie Kinderlähmung, Maser oder Pocken unter Kontrolle gebracht oder sogar ausgerottet wurden.

Tatsache ist, dass uns das Covid-Zertifikat viele Freiheiten zurückgebracht hat. Wir dürfen seit zwei Monaten wieder an Konzerte, Theatervorstellungen und ins Kino. Die Muckibuden und Tanztempel sind wieder offen.

Bei der Abstimmung vom 28. November geht es längst nicht nur um das Covid-Zertifikat. Es geht auch um:

  • Geld für freischaffende Künstlerinnen und Künstler;
  • Unterstützung von privaten und öffentlichen Kitas;
  • Erwerbsersatz für Selbständige;
  • Kurzarbeit in diversen Branchen;
  • Finanzhilfen für Sport und Tourismus;
  • Kulturhäuser, die wieder offen sein dürfen. Der Dachverband Suisseculture wirbt mit dem treffenden Slogan «Ja sagen statt absagen».

Sie zählen zu einer schweigenden Mehrheit. Am 28. November haben Sie es in der Hand, Teil der Lösung zu sein und die Pandemie zu verkürzen.

«Gewaltenteilung ist ein Grundpfeiler der Demokratie»

In eigener Sache: Die Bewegung Courage Civil setzt sich seit jeher ein für Grundrechte und Gewaltenteilung. Dass die SVP ihren Bundesrichter Yves Donzallaz Bundesrichter nicht mehr wählen will, ist mehr als ein Zeuseln. Sie baut Druck auf, damit diese politisch entscheiden, sagte Geschäftsführer Mark Balsiger heute Abend in der Sendung «TalkTäglich» der «CH-Media-Regionalsender. Betten wir das Thema ein:

1848 erkämpften kluge Köpfe Grundrechte und Gewaltenteilung, die erste Bundesverfassung war ein Wurf. Die Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats sollten aber immer wieder überprüft, neu verhandelt und ergänzt werden. Das ist bislang gelungen, wie ein paar Meilensteine zeigen:

– die Einführung des fakultativen Referendums (1874);
– die Religionsfreiheit (1874);
– die Einführung der Volksinitiative (1891);
– das Proporzwahlrecht bei Nationalratswahlen (1918);
– die Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landessprache (1938);
– die Schaffung des Kantons Jura (1979).

All das waren weise Entscheidungen, die das politische System der Schweiz ausgesprochen stabil mach(t)en und dem Volk zugleich viel Verantwortung überträgt. Ebenso wichtig sind der Rechtsstaat und die Gewaltenteilung.

Am kommenden Mittwoch will die SVP-Fraktion im Bundeshaus einem ihrer zwölf Bundesrichter also die Wiederwahl verwehren. Das ist ein Versuch, die eigenen Leute ans Gängelband zu nehmen. Diese sollen politisch entscheiden, findet die SVP, obwohl die Bundesverfassung festhält, dass die Richterinnen und Richter unabhängig sein müssen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, und wir müssen resolut dagegenhalten!

Zwei Dinge sollten allerdings in den nächsten Monaten neu verhandelt werden:

– Es ist problematisch, dass die Bundesrichterinnen und -richter ihren Parteien jedes Jahr happige Abgaben entrichten müssen. Solche Mandatsabgaben – zwischen 5 und 15 Prozent des Lohns – gibt es in keinem anderen europäischen Land.

– Die Mitglieder des Bundesgerichts müssen alle sechs Jahre wiedergewählt werden. Damit sind sie abhängig von ihren Parteien, wie das aktuelle Beispiel zeigt. In Deutschland werden die Richterinnen und Richter auf Lebzeiten gewählt.

Die Justizinitiative, die u.a. diese beide Bereiche anpassen will, gibt uns Gelegenheit, Pro und Contra abzuwägen.