Es war für den Bundesrat ein unendlich langer Weg mit dem Rahmenabkommen, der 2008 begann und jetzt endete. Offensichtlich wurde die Landesregierung sich nie einig, wie sie diesen Brocken anfasst und wohin sie ihn tragen will. Die Entscheidung, die Verhandlungen mit der EU abzubrechen, kommt nicht überraschend, die Art und Weise ist allerdings brüsk. Der Bundesrat schlägt die Türe ohne Not zu. Das hat einen Vertrauensverlust und eine Verhärtung zur Folge.

Die Bewegung Courage Civil bedauert, dass der Bundesrat es in all den Jahren nicht schaffte, eine Allianz für das Rahmenabkommen und einen Plan B zu erarbeiten. Zugleich verweist sie darauf, dass das Volk in den letzten 20 Jahren 12 Mal für ein geregeltes Verhältnis mit der EU gestimmt hat, vom Ja zu den Bilateralen I im Mai 2000 (67.2 Prozent) bis zum Nein zur Begrenzungsinitiative im September 2020 (61.7 Prozent). Eine Mehrheit der Stimmberechtigten hat ein pragmatisches Verhältnis zu europapolitischen Vorlagen entwickelt, sie anerkennen die vielen Vorteile und blenden die Nachteile nicht aus.

Klar ist, dass es keine neuen bilateralen Verträge mehr geben wird, die alten beginnen zu erodieren. So bleibt beispielsweise das seit Langem blockierte Stromabkommen liegen, der Wirtschaftsstandort Schweiz verliert schleichend an Attraktivität.

Wenn irgendeinmal wieder Bewegung in das Verhältnis Schweiz-EU kommen soll, muss der Bundesrat den ersten Schritt machen. Er tritt dann als Bittsteller in Brüssel auf. Diese Position wird schwächer sein, als diejenige, die er in den letzten Jahren hatte. Ob das dereinst als «Reset» bezeichnet werden kann, ist offen.

Wichtig könnte in den nächsten Jahren die Rolle der zivilgesellschaftlichen Organisationen werden. Wenn sie sich zusammen mit der Wirtschaft und der Forschung zu einer soliden Allianz formieren, könnten sie eine ernsthafte Debatte anstossen und so eine Deblockierung der Europapolitik erreichen. Die Bewegung Courage Civil wäre bereit dazu. Das repetitive Absondern von Schlagworten haben wir die letzten Jahre zur Genüge gehört, man sollte das jetzt beenden.

Ergänzendes vom 26. Mai 2021:

– Die offizielle Verlautbarung des Bundesrats inkl. einem 35-seitigen Bericht über die Verhandlungen zum Rahmenabkommen.

– Reaktion der Europäischen Kommission:
> Factsheet: Was geschieht ohne Rahmenabkommen? (PDF)
> Factsheet: Fakten zu den Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz  (PDF)

>>> Wir verweisen zudem auf das ausgezeichnete Interview in der NZZ vom 26. Mai 2021 mit Historiker André Holenstein und Europarechter Thomas Cottier, die soeben zusammen ein neues Buch veröffentlich haben. Titel: «Souveränität der Schweiz in Europa». Das Interview ist hier als PDF hochgeladen: Interview: Holenstein und Cottier über die Souveränität der Schweiz (PDF)

>>> – Das Interview in den Tamedia-Zeitungen vom 29. Mai mit Historiker Thomas Maissen:
«Die Eidgenossenschaft hat sich fürs Durchwursteln entschieden» (PDF)

 

Was der Bundesrat verpasste, gelingt jetzt hoffentlich einer soliden Allianz
Tagged on: