Die Justizinitiative verdient ein Ja

Die Justizinitiative wirft ein Schlaglicht auf eine dunkle Stelle unseres politischen Systems. Wer ans Bundesgericht gewählt werden will, muss diesen Sitz faktisch kaufen. Die Parteien sind wie Vermittlerinnen tätig. Sie verlangen zwischen 3000 und 20’000 Franken pro Jahr und Sitz.[1] Seit 1942 hat es keine parteilosen Bundesrichter mehr gegeben.

Mandatsabgaben sind Standard für Regierungsräte, Nationalrätinnen und Bundesräte. Bei diesen Ämtern machen sie Sinn, weil Politik die Interessen von Parteien vertritt. Im Sinne der Gewaltenteilung, für Courage Civil ein zentrales Anliegen, sollten Richterinnen und Richter aber komplett unabhängig sein. Genau das fordert die Justizinitiative, die am 28. November zur Abstimmung kommt. Künftig sollen sie im Losverfahren bestimmt werden. Zugelassen werden Kandidierende, die sich fachlich und menschlich eignen. Eine Fachkommission, die vom Bundesrat eingesetzt wird, entscheidet über die Zulassung zum Losverfahren.

Diese Vorschläge sind radikaldemokratisch, klar, aber sie sind richtig. Parteien sollen ihre Vertretung am Bundesgericht nicht länger ans Gängelband nehmen können, so wie das die SVP vor Jahresfrist mit Yves Donzallaz machte. Sie rief zu seiner Abwahl auf, weil er in einzelnen Fällen nicht im Sinne der Partei entschieden hatte. Die Gewaltenteilung ist ein Grundpfeiler der Demokratie. Aus diesem Grund empfiehlt der Vorstand der Bewegung Courage Civil, die Justizinitiative anzunehmen.

> Zur Website des Initiativkomitees, von dem wir auch das Sujet übernommen haben.

> Bundesrat und Parlament empfehlen, die Justizinitiative abzulehnen. Mehr gibt es auf der admin-Seite.

[1] Vgl. Studie von Verwaltungsrichter Giuliano Racioppi, die 2017 in der «Richterzeitung» publiziert wurde.

«Gewaltenteilung ist ein Grundpfeiler der Demokratie»

In eigener Sache: Die Bewegung Courage Civil setzt sich seit jeher ein für Grundrechte und Gewaltenteilung. Dass die SVP ihren Bundesrichter Yves Donzallaz Bundesrichter nicht mehr wählen will, ist mehr als ein Zeuseln. Sie baut Druck auf, damit diese politisch entscheiden, sagte Geschäftsführer Mark Balsiger heute Abend in der Sendung «TalkTäglich» der «CH-Media-Regionalsender. Betten wir das Thema ein:

1848 erkämpften kluge Köpfe Grundrechte und Gewaltenteilung, die erste Bundesverfassung war ein Wurf. Die Errungenschaften des demokratischen Rechtsstaats sollten aber immer wieder überprüft, neu verhandelt und ergänzt werden. Das ist bislang gelungen, wie ein paar Meilensteine zeigen:

– die Einführung des fakultativen Referendums (1874);
– die Religionsfreiheit (1874);
– die Einführung der Volksinitiative (1891);
– das Proporzwahlrecht bei Nationalratswahlen (1918);
– die Anerkennung des Rätoromanischen als vierte Landessprache (1938);
– die Schaffung des Kantons Jura (1979).

All das waren weise Entscheidungen, die das politische System der Schweiz ausgesprochen stabil mach(t)en und dem Volk zugleich viel Verantwortung überträgt. Ebenso wichtig sind der Rechtsstaat und die Gewaltenteilung.

Am kommenden Mittwoch will die SVP-Fraktion im Bundeshaus einem ihrer zwölf Bundesrichter also die Wiederwahl verwehren. Das ist ein Versuch, die eigenen Leute ans Gängelband zu nehmen. Diese sollen politisch entscheiden, findet die SVP, obwohl die Bundesverfassung festhält, dass die Richterinnen und Richter unabhängig sein müssen. Das ist eine gefährliche Entwicklung, und wir müssen resolut dagegenhalten!

Zwei Dinge sollten allerdings in den nächsten Monaten neu verhandelt werden:

– Es ist problematisch, dass die Bundesrichterinnen und -richter ihren Parteien jedes Jahr happige Abgaben entrichten müssen. Solche Mandatsabgaben – zwischen 5 und 15 Prozent des Lohns – gibt es in keinem anderen europäischen Land.

– Die Mitglieder des Bundesgerichts müssen alle sechs Jahre wiedergewählt werden. Damit sind sie abhängig von ihren Parteien, wie das aktuelle Beispiel zeigt. In Deutschland werden die Richterinnen und Richter auf Lebzeiten gewählt.

Die Justizinitiative, die u.a. diese beide Bereiche anpassen will, gibt uns Gelegenheit, Pro und Contra abzuwägen.