Geht es in der Schweiz um Medienpolitik, zählt Jon Pult zu den ausgewiesenen Kennern. Inzwischen präsidiert der Nationalrat aus dem Kanton Graubünden die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen (KVF). Im Interview mit «CH-Media» von heute äussert er sich zu den Herausforderungen der Medien, über Optionen für die Zukunft und zur SRG-Initiative von SVP und Gewerbeverband, die wir «No Billag 2» nennen. So fragt Pult: «Was wird denn besser in der Schweizer Medienlandschaft, wenn man die SRG kaputtmacht? Nichts. Darum wird das Volk auch den neuen Angriff abwehren. Zur medialen Souveränität des Landes gehören der Service public – und private Medien, deren Vielfalt nicht noch weiter abnehmen darf.» Das Interview als PDF-Dokument:
«Qualitätskrise des Journalismus» (Interview mit Jon Pult, «CH-Media» vom 29. September 2022)
Freiheit und Vielfalt – Gedanken zum Mediengesetz
Die chinesische Polizei geht in Hongkong wieder mit Razzien gegen kritische Medien vor. Weltweit sitzen fast 500 Journalistinnen und Journalisten im Gefängnis, so viele wie noch nie. Weitere 65 gelten als entführt.
Besteht da ein Zusammenhang zum Mediengesetz, über das wir am 13. Februar abstimmen? Nein, natürlich nicht. Auf den zweiten Blick eben doch: Solche Nachrichten führen uns vor Augen, wie brisant und brandgefährlich Journalismus sein kann. Und was für ein kostbares Gut die Medienfreiheit ist! Ein Gut, das wir bei uns wohl entschieden zu wenig schätzen.
Medienfreiheit ist das eine, Medienvielfalt das andere. Diese Vielfalt nimmt bei uns inbeunruhigendem Ausmass ab. Die Medien stecken in einer Krise. Zeitungen fusionieren oder verschwinden, Stellen werden abgebaut, Medienkonzerne gewinnen an Macht. Die einst sprudelnden Werbeeinnahmen fliessen neu zu Google, Facebook und Co.
Die sozialen Medien gaukeln uns vor, News seien sowieso gratis. Nachrichten werden reisserischer, folgen zunehmend der simplen Logik, wie oft sie wohl angeklickt werden. Ohne es zu merken, werden wir Hörige der «Click rate».
Doch für eine funktionierende Demokratie sind verlässliche Medien von immenser Bedeutung. Hier kann das Mediengesetz ein Gegengewicht geben. Es ist nicht perfekt, sondern ein typisch schweizerischer Kompromiss. Doch es anerkennt, wie wichtig eine vielfältige Medienlandschaft ist, fundierter, unabhängiger Journalismus, kleine, regionale Verlage (die überproportional profitieren) genauso wie neue, innovative Online-Portale, die nicht nur effekthascherisch mit Kürzestnews Klicks generieren wollen.
Mit einem offenen Blick wird rasch klar, dass die positiven Anteile des Gesetzes bei weitem überwiegen.
* Stefan Haupt ist Filmregisseur und seit Anfang Beirat der Bewegung Courage Civil. Seine Kolumne ist zuerst im «Tagblatt der Stadt Zürich» erschienen.
Die Zeit ist reif für ein neues Online-Magazin im Grossraum Bern
Medienmitteilung vom 8. April 2021, 13 Uhr
Die komplette Fusion von «Bund» und «Berner Zeitung» wird auf 1. Oktober Tatsache. Damit entsteht im Grossraum Bern ein Monopol, was demokratiepolitisch höchst problematisch ist. Die Bewegung Courage Civil ruft dazu auf, mit vereinten Kräften ein neues Online-Magazin zu lancieren. Eine Umfrage zu Medienwünschen mit fast 3000 Personen hat sie abgeschlossen, das Konzept für ein Start-up liegt bereit. Was es jetzt braucht, ist Kapital – mindestens 4,5 Millionen Franken. Dieses soll durch Stiftungen, Firmen und private Spenden eingebracht werden. Courage Civil versteht diese Meldung als Appell an die breite Öffentlichkeit und ist bereit, das Projekt voranzutreiben.
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Vom 1. Oktober an werden «Bund» und «Berner Zeitung» (BZ) also auch im Lokalen und Regionalen von einer Einheitsredaktion beliefert. Das haben die Tamedia-Manager den Belegschaften beider Zeitungen heute über Mittag erläutert. 20 Vollzeitstellen werden abgebaut, der publizistische Wettbewerb beider Titel ist Geschichte. Faktisch entsteht ein Monopol, auch wenn die schönfärberische Mitteilung des Medienkonzerns etwas anderes vorgaukelt.
Das neue Konzept ignoriert die komplett unterschiedliche DNA der beiden Zeitungen: Der «Bund» ist seit seiner Gründung 1850 liberal und richtet sich an ein urbanes Publikum, während die BZ, 1979 aus einer Fusion zweier Regionalblätter entstanden, ein ländliches bedient. Künftig füllt Tamedia denselben Wein in zwei verschiedene Schläuche ab – einen blauen («Bund») und einen roten (BZ).
Die Bewegung Courage Civil setzt sich seit ihrer Gründung für Medienvielfalt ein. Dabei verschliesst sie ihre Augen nicht vor der Realität: Im Mediengeschäft herrscht ein intensiver Verdrängungskampf, die Auflagen der gedruckten Zeitungen sinken, die Werbeeinnahmen brechen weg, die vier Tech-Giganten Google, Amazon, Facebook und Apple machen den grossen Reibach. Während Jahrzehnten bildeten die Rubrikeninserate für Immobilien, Autos, Stellen, käufliche und ewige Liebe das ökonomische Rückgrat der Zeitungen. Inzwischen sind sie fast komplett ins Netz abgewandert, wo sie deutlich weniger abwerfen.
Nur: «Berner Zeitung» und «Bund» haben in den letzten Jahren wie meisten anderen Titel im Tamedia-Portfolio Renditen abgeworfen. Noch viel ausgeprägter zeigt sich das bei den kommerziellen Plattformen, die der Mutter-Konzern TX Group betreibt. So hat beispielsweise die Plattform jobs.ch im Jahr 2020 eine Rendite von 37 Prozent erzielt. Einen kleinen Teil der Gewinne hätte man in die beiden Regionalredaktionen investieren können – nein, müssen! Stattdessen wurden beim «Bund» stetig Stellenprozente reduziert und Abgänge teilweise nicht ersetzt. Bei der «Berner Zeitung» fiel die Wochenendbeilage «Zeitpunkt», während vieler Jahre ein leuchtendes Beispiel für Qualitätsjournalismus, dem Sparhammer zum Opfer.
Tamedia (seit 1. Januar 2020: TX Group) ist ein hochprofitabler Medienkonzern. Er erwirtschaftete in den letzten sechs Jahren (also inklusive Coronajahr 2020) einen Reingewinn von 758 Millionen Franken. Das freut die Aktionäre, denen mehrere hundert Millionen Franken Dividenden ausgeschüttet wurden, und das Management, das grosszügige Boni erhielt.
2935 Personen beteiligten sich an einer Umfrage zu ihren Medienwünschen
Die Bewegung Courage Civil ist zur Überzeugung gelangt, dass im Grossraum Bern ein neues Medium entstehen muss. Nur so kann dem drohenden Einheitsbrei etwas entgegengesetzt werden. Die Umfrage zu Mediennutzung und -wünschen wertet sie derzeit aus. Daran haben sich 2935 Personen beteiligt. Ein Konzept für ein Medien-Start-up wurde erarbeitet.
In einem direktdemokratischen System ist unabhängiger Journalismus auf lokaler und regionaler Ebene überlebenswichtig. Er schafft Identität, beobachtet die Akteure und liefert die zentralen Informationen, die die Menschen für ihre Meinungsbildung brauchen. Politologieprofessor Daniel Kübler hat 2018 in einer Studie nachgewiesen, dass die Wahlbeteiligung sinkt, je weniger die Medien über lokale Politik berichten. Wird Lokaljournalismus nicht gepflegt, beginnen die Wurzeln der Demokratie zu verfaulen.
«Der Lokal- und Regionaljournalismus in der Schweiz steht vor dem Untergang.» Das sagt Matthias Zehnder, Medienwissenschaftler und scharfsinniger Analytiker. Der ehemalige Chefredaktor ist Mitbegründer des neuen Online-Mediums «Bajour» in Basel und Beirat von Courage Civil. Tatsache ist, dass die grossen Medienhäuser digital auf Skaleneffekte angewiesen sind, was sich lokal und regional nicht rechnet.
Im Grossraum Bern soll ein neues Online-Magazin entstehen, das unaufgeregten und kritischen Journalismus anbietet. Es bricht das faktische Monopol der Tamedia-Einheitsredaktion und versteht sich als komplementäre Stimme. Im Gegensatz zu den Tamedia-Produkten ist das neue Online-Magazin nicht primär rendite- und klickgetrieben. Vielmehr liefert es stetig überzeugende Beiträge und Einordnungen zu politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen.
Das Medien-Start-up soll durch Abos, Spenden, Mäzene, Stiftungen sowie mit Beiträgen aus der Online-Medienförderung, die seitens des Bundes ab 2022 vorgesehen sind, finanziert werden. Ob Werbung eine weitere Einnahmequelle sein kann, ist für Courage Civil offen. «Zentral ist, dass bald verbindliche Zusagen für eine solide Finanzierung vorliegen», sagt Geschäftsführer Mark Balsiger. Für die ersten drei Jahre brauche es ein Startkapital von mindestens 4,5 Millionen Franken. Drei Jahre seien das absolute Minimum, um sich bekannt zu machen und einen Platz im Markt zu erobern. Im Weiteren finde man nur mit einer soliden finanziellen Basis gutes Personal. Davon brauche es einen Mix aus routinierten Medienschaffenden und jungen Talenten. Optional kann sich Courage Civil vorstellen, ein engagiertes Medienhaus beim Markteintritt im Grossraum Bern zu unterstützen. So kann die Bewegung beispielsweise auf rund 20’000 Adressen zurückgreifen.
In verschiedenen Ballungsräumen der Schweiz sind neue Online-Medien an den Start gegangen, etwa «bajour» (Basel), «tsüri» (Zürich), «Zentralplus» und «Kultz» (Zentralschweiz) oder «heidi.news» (Romandie). Die «Republik» schreibt in ihrem dritten Jahr bereits schwarze Zahlen. Eine Vernetzung drängt sich auf – technisch über die gemeinsame Plattform «We.Publish», die von einer Stiftung getragen wird, inhaltlich für regelmässigen Knowhow-Transfer. Wenn sich eine Allianz formiert, entstünden auch Kooperationsmöglichkeiten. So könnten sich die beteiligten Medien beispielsweise eine Korrespondentenstelle im Bundeshaus oder eine Redaktorin für Wirtschaftsthemen teilen.
Das Problem ist erkannt, ein Lösungsansatz vorhanden – melden Sie sich: mail@courage-civil.ch. Danke!