Am 13. Februar stimmen die Schweizerinnen und Schweizer über das Mediengesetz ab, das auch «Massnahmenpaket zugunsten der Medien» oder schlicht Medienpaket genannt wird. Der Abstimmungskampf ist kurz und laut. Umso wichtiger für die Entscheidungsfindung ist es, die wichtigsten Punkte und Eckwerte zu kennen. Die Erläuterungen hier sind neutral verfasst. Erst am Schluss geben wir unsere Position bekannt, die an einer Ur-Abstimmung gefällt wurde. 

Ausgangslage:

Die Medien stecken in einer tiefen strukturellen Krise, die lange vor der Pandemie begonnen hat. Ein erheblicher Teil der Werbegelder fliesst inzwischen an Tech-Giganten wie Google und Facebook, die gedruckten Zeitungen verlieren dramatisch an Auflage. Laut einer Erhebung des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) betrug 2007 der Werbeumsatz 1,76 Milliarden Franken. Im Jahr 2020 belief er sich noch auf 432 Millionen. Das entspricht einem Minus von 75 Prozent innerhalb von 14 Jahren. In derselben Zeitspanne sind 70 Zeitungen eingegangen.

Breit anerkannt ist, dass die Medien in einer Demokratie eine zentrale Rolle wahrnehmen. Gerade die Lokal- und Regionalmedien sind nahe bei den Menschen. Sie berichten, wenn Oberwil Bauland ausgezont, in Unterwil die Kehrrichtsackgebühren erhöht werden oder in Hinterwil eine neue Bäckerei aufgeht.


Worum es materiell geht:

Das Massnahmenpaket umfasst die direkte und indirekte Förderung von Medien. (Was ist indirekte Förderung? Die Medienhäuser kommen in den Genuss von reduzierten Posttaxen für die Zustellung ihrer Zeitungen. Die Differenz wird mit Bundesgelder ausgeglichen. Auf diese Weise gehen 70 Millionen Franken direkt an die Post und eben nicht an die Medienverlage.)

Was das Parlament nach langem Ringen entschied, ist ein typischer Kompromiss:

– Gedruckte Zeitungen werden indirekt subventioniert, was seit 1849 im Postgesetz geregelt ist. Für die Zustellung von abonnierten Tages- und Wochenzeitungen durch die Post werden reduzierte Taxen angewendet. Bislang gab es dafür 30 Millionen Franken pro Jahr (29 Rappen pro Exemplar). Mit dem neuen Mediengesetz erhöht sich dieser Betrag auf 50 Millionen.

– Vereine und Stiftungen, die regelmässig Magazine an ihre Mitglieder verschicken, profitieren auch von der indirekten Presseförderung. (Beispielsweise das WWF-Magazin oder das «Touring-Magazin» des TCS, aber auch viele kleine.) Bislang erhält die Mitgliedschaftspresse für die Zustellung eine Reduktion der Posttaxten im Wert von 20 Millionen Franken pro Jahr. Dieser Betrag wird auf 30 Millionen erhöht.

– Die Frühzustellung gedruckter Tages-, Wochen- und Sonntagszeitungen wird neu mit 40 Millionen Franken subventioniert.

– Private Lokalradio- und regionale TV-Stationen erhalten statt wie bisher 81 neu maximal 109 Millionen Franken pro Jahr (via Radio- und Fernsehgesetz).

– Nachrichtenagenturen, Aus- und Weiterbildungsinstitutionen im Informationsjournalismus sowie Selbstregierungsorganisationen (zum Beispiel der Presserat) erhalten neu maximal 28 Millionen Franken jährlich.

– Online-Medien werden künftig direkt gefördert, und zwar mit 30 Millionen Franken pro Jahr. Diese Anschubfinanzierung ist auf sieben Jahre limitiert. Die Höhe der Unterstützung ist bei jedem Online-Medium direkt an seine eigenen Einnahmen gekoppelt (Abos, Spenden, Stiftungsgelder).


Wie das eidgenössische Parlament abstimmte:

Der Nationalrat stimmte dem Mediengesetz mit 115 Ja- gegen 75 Nein-Stimmen zu. Der Ständerat entschied mit 28 Ja zu 10 Nein.


Wer das Referendum ergriff:

Unterschriften gegen das Mediengesetz sammelten: das neue Aktionskomitee «Team Freiheit», das Komitee «Staatsmedien Nein» rund um Alt-FDP-Nationalrat Peter Weigelt (SG) sowie die Organisationen «mass-voll» und «Freunde der Verfassung», die in den letzten 18 Monaten gegen die Coronapolitik von Bund und Kantonen mobil machten.


Unsere Einschätzung:

Je nach eigener Position besteht das neue Mediengesetz aus Teilen, die nicht überzeugen. Eine Gruppe kritisiert die massive Erhöhung der subventionierten Postzustellung als «reine Strukturerhaltung». Für andere ist die direkte Unterstützung von Online-Medien des Teufels. Doch ein Paket ist ein Paket – am 13. Februar können wir nur  Ja oder Nein stimmen. Das Massnahmenpaket kostet insgesamt maximal 151 Millionen Franken pro Jahr.


Unsere Abstimmungsempfehlung:

Der Vorwurf mit den «Staatsmedien» ist plump. Die freisinnigen Gründerväter hielten bereits 1849 im Postgesetz fest, dass die Zustellung der Zeitungen subventioniert wird. Es kann nicht nachgewiesen werden, dass die Medien wegen der indirekten Presseförderung ihre Unabhängigkeit verloren haben. Im neuen Mediengesetz gibt es keinen Passus, der für die Bundeshilfe eine Gegenleistung nennt.

Ein erheblicher Teil der Bundesgelder geht an die grössten Medienhäuser wie beispielsweise die TX Group (Tamedia). Die Unterstützung bemisst sich an der Auflage der jeweiligen Zeitungen, wird aber degressiv ausgestaltet, d.h. Zeitungen mit einer grossen Auflage kriegen pro Exemplar weniger Geld als Kleine. Die Kleinen profitieren überproportional. Für einzelne Lokal- und Regionalzeitungen sind die Fördergelder zentral. Neue Online-Medien, die in den letzten Jahren entstanden sind, haben mit dem neuen Mediengesetz mehr finanzielle Stabilität. Die Anschubfinanzierung, direkt verknüpft mit dem eigenen finanziellen Erfolg, ist auf sieben Jahre beschränkt.

Dass mehr Geld zur Verfügung steht für die Aus- und Weiterbildung im Nachrichtenjournalismus, aber auch für Nachrichtenagenturen und digitale Infrastrukturen, sind gewichtige Pluspunkten. Wichtig und richtig ist es, dass der chronisch überlastete Presserat mehr Geld kriegt. Er hat sich seit 1977 eine starke Position erarbeitet, seine Stellungnahmen wirken.

Das Massnahmenpaket für die Medien umfasst insgesamt neun verschiedene Teile. Die meisten sind brauchbar, ja zum Teil sogar gut. In der Summe überwiegen also die Vorteile eines Ja. Es gibt vielen Lokal- und Regionalzeitungen sieben Jahre lang Zeit, ihre Geschäftsmodelle anzupassen. Dass auch die grössten Medienhäuser profitieren, ist eine Kröte, die wir schlucken sollten.

Um das Thema auf die internationale Ebene zu hieven: Es gibt Bestrebungen, das Tech-Giganten wie Facebook und Google künftig eine Digitalsteuer entrichten müssen. Frankreich hat sie bereits 2019 eingeführt, 2020 folgte Spanien. Damit reduziert sich der Vorteil der Tech-Giganten gegenüber den herkömmlichen Medien. Ein Teil der Digitalsteuer soll neuen Online-Medien zugute kommen.

An einer Online-Ur-Abstimmung Ende Dezember 2021 entschieden sich die Mitglieder von Courage Civil mit 225 Ja-Stimmen, das Mediengesetz zu unterstützen. 14 votierten für eine Nein-Parole, 27 Mitglieder wollten, dass unsere Bewegung keine Parole fasst.

Links zu dem Abstimmungskomitees:
(Stand 12. Januar. Wird ergänzt, wenn weitere Komitees sich mit einem Webauftritt präsentieren.)

Ja:
Die Meinungsfreiheit
Ja zur Medienvielfalt

Nein:
– Staatsmedien Nein

Link zum Dossier des Bundes.


Überzeugende Beiträge, die der weiteren Einordnung dienen:

Medienförderung – eine Auslegeordnung (von unserem Beirat Matthias Zehnder, 22.10.2021)

Die Informationsmedien stecken in der Krise (Tamedia, 06.01.2022, Jacqueline Büchi, PDF)
Wer von den Fördergeldern profitiert (Tamedia, 12.06.2022, Jacqueline Büchi, PDF)
Medienpaket: Nicht perfekt, aber auch nicht schlecht («Medienwoche», 13.01.2022, Nick Lüthi)
Die Mär von den Staatsmedien (Blog von Matthias Zehnder, 21.01.2022)